Ich als männlicher Sexkolumnist

Ich als männlicher Sexkolumnist in Vertretung habe eine äußerst verantwortungsvolle Aufgabe. Andere Urlauberinnen geben den Schlüssel zu Wohnung und Postfach her. Vergiss nicht auf die Blumen in der Küche. Meine Ausgabe von Cheryl Benard und Edit Schlaffer’s “Die Emotionsfalle” mag es, wenn Du sie ab und zu aus dem Regal nimmst und durchblätterst. Und noch eins: das Schlafzimmer mit allen Kästen und Kommoden ist für Dich tabu!

Nicht so in diesem Fall. Wer Frau Reif vertritt, hat eine feingeistige Leserschaft mit vitaminreichen Bonmots und schmackhaften Anekdoten zu verwöhnen. Bleibt damit die Beschreibung der alltäglichen Gedanken des durchschnittlichen Hetero-Manns notwendigerweise auf der Strecke? Betrachtungen über den Aufforderungscharakter von Brustwarzen, die durch helle Blusen durchscheinen? Kommentare zur Beobachtung von dunkelfarbigen Stringtangas unter weißen Hosen? Fantasien über das Erwischtwerden beim Stöbern in fremden Schlafzimmern und die selbstverständlich lustvollen Konsequenzen?

Unlängst kaufe ich Geschenke in einem dediziert der Frauenlust gewidmeten Geschäft in Wien Mariahilf. Ich lege auch ein Buch mit Erotikgeschichten auf das Kaufpult mit der Bemerkung, das sei aber für mich, denn wir Männer lassen uns ja vorwiegend von der eigenen Fantasie anregen. Die überaus nette Frau M., Inhaberin des Geschäfts, bekommt einen Lachanfall. Ja glauben Frauen denn wirklich, dass vorwiegend der Anblick von gynäkologischen Detailfotos und -videos anregend wirkt auf Männer? Dass Männer schon die Eckpunkte eines auf die Spitze gestellten gleichschenkeligen Dreiecks zum Drink nach Hause einladen wollen? Ist es nicht viel mehr so, dass Männer in einem gigantisch großen und facettenreichen Was-wäre-wenn-Paralleluniversum leben? Voller Quickies mit Baumarktkassierinnen und fesselnder Bestrafungen unzüchtiger Linguisitk-Professorinnen? Es ist so. Streichen Sie bitte die letzte Frage.

Was wäre, wenn mir Frau Reif die versprochene Flasche Veuve Clicquot ganz in der Nähe des Hotel Orient überreicht. Ich nehme eine CD mit dem 4. Satz von Schuberts Neunter mit, Berliner Philharmoniker unter Herbert von Karajan. Für alle Fälle.

(eingesendet an DerStandard Anfang August 2005 als Zufallskolumnenvertretung, aber leider nicht veröffentlicht)


Kommentare

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert