Kurzparken in Wien teurer – eine Frechheit! Oder?

Ab März 2012 wird Kurzparken für eine halbe Stunde in Wien einen Euro kosten (bisher 60 Cent), jede volle Stunde zwei Euro. Das ist eine kräftige Erhöhung, und die Ankündigung durch Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou bringt viele Wienerinnen und Wiener auf die Palme.

So zitiert die Wiener Zeitung die klassischen Begriffe “Abzocke”, “Schröpfaktion”, “Autofahrer-Verarschung”, “obszön”, “untragbar”, und FPÖ und ÖVP werten das Ganze als bloße Geldbeschaffungsaktion. Der ÖAMTC ist wieder einmal sauer, weil man den Autoclub nicht eingebunden habe. Zwar wurden gleichzeitig sowohl Jahresnetzkarte als auch Parkpickerl billiger, aber für die heilige Kuh darf nach Ansicht der Autobesessenen Verkehrsexperten natürlich gar nichts teurer werden.

Zureden, gut Zureden und nocheinmal gut Zureden?

Gewählt wurde Grün in Wien allerdings nicht, damit da und dort Blumentöpfe hingestellt und ein zusätzlicher Baum gepflanzt wird. Gewählt wurden die Grünen u.a. auch, damit die Lebensqualität im öffentlichen Raum wieder angehoben wird. Zeitgleich mit der Ankündigung durch Vassilakou wurden extrem hohe Feinstaubbelastungen in Wien gemessen, als ob es noch eine Begründung für verkehrsreduzierende Maßnahmen gebraucht hätte.

Das Zurückdrängen von Luxus-Verkehr, wie ich ihn nennen würde, kann allerdings nicht durch gutes Zureden und Broschüren-Verteilen erfolgen. Wer unbedingt täglich seinen Körper mit dem Auto vier Kilometer durch eine Stadt transportieren will, deren öffentliches Verkehrsnetz gut ausgebaut ist, der soll dafür ordentlich zahlen. Die Anhebung der Parkgebühren ist dabei hoffentlich nur ein erster Schritt.

Mut zum Risiko

Die Sache hat aber noch eine zweite tiefergehende Bedeutung. Speziell in Österreich gedeiht die Spezies der Schönwetter-Politiker, die ihre Politik nach Umfragen und Zeitungs-Kommentaren richten (besonders, wenn diese in der Kronenzeitung, Heute oder Österreich erscheinen). Für Verwaltungsreformen, für einen Stopp des Jörg-Haider-Gedächtnisstollens (Koralm-Tunnel), für eine Nulllohnrunde bei hochverdienenden Beamten, für ein echtes Rauchverbot im öffentlichen Raum, für eine integrierende Migrantenpolitik fehlt der Mut. Der junge Staatssekretär Sebastian Kurz sei dabei vorläufig von der Kritik ausgenommen.

Gestutzt und reduziert und eingeschränkt und abgebaut wird vorwiegend bei Bevölkerungsgruppen, die vergleichsweise machtlos sind. Laute Schreier, wie Autofahrer, Raucher, Gastronomen, Pensionisten oder Lehrer, konnten dagegen immer noch ihre Interessen durchsetzen. Fritz Neugebauer, Chef der Beamtengewerkschaft, fordert 4,65% mehr Lohn für das kommende Jahr. Wetten, dass die hochverdienenden Beamten mindestens 4% mehr bekommen? Wo bleiben die Neugebauers, Janks und Khols für alleinerziehende Mütter, Studenten oder Arbeitslose?

Respekt!

Was die Grünen in Wien machen, das nennt man Politik mit Mut zur Konfrontation mit mächtigen Gruppen. Mit der Parkgebühranhebung beweisen die Grünen im Gegensatz zu Kanzlern, Vizekanzlern und Ministern, dass sie Eier haben. Dass die Preiserhöhung bei vielen in der Bevölkerung mit Ärger aufgenommen wird, das war klar. Aber wenn die Maßnahme tatsächlich dazu führen wird, dass die Zahl derer, die alleine im Auto sitzend ihren Arsch in der Früh von Döbling in die Josefstadt kutschieren und am Abend wieder zurück, spürbar reduziert wird, dann würde das nicht nur mich glücklich machen. Warum die Vertreter der Berufsfahrer (Taxi-Innung, Transporteure, Reparatur-Dienstleister, …) nicht schon längst begeistert hinter einer solchen Verkehrspolitik stehen, bleibt mir ein ewiges Rätsel. Schließlich ist es in derem ureigensten Interesse, wieder mehr Platz auf den Straßen zu bekommen.

Für genau eine solche Politik sitzt Grün in der Stadtregierung. Dieser grünen Frechheit sollen noch etliche andere folgen, das wünsche ich mir.


Kommentare

5 Antworten zu „Kurzparken in Wien teurer – eine Frechheit! Oder?“

  1. Woher lommt die komplette Fehleinschätzung, bei den Gehaltserhöhungen im öffentlichen Dienst (der aus mehr als nur Beamten besteht)? Voriges Jahr gabs 0,7 und im Jahr vorher 0,9%. Heuer erwarte ich (mittel verdienender Vertragsbediensteter) 2,8%, also knapp unter der Inflationsrat, wie in den letzten Jahren. Das ständige von falschen Zahlen ausgehende Beamtenbashing nervt schon langsam.

    Und zum eigentlichen Thema: wird Zeit, dass ganz Wien zur Kurzparkzone wird. Denn dort wo keine ist, wird mit Duldung der Bezirkspolitiker jedes Fleckerl (inkl. Gehsteige) verparkt. Und kein Parksheriff oder Polizist nimmt Anstoss daran (siehe z. B. Promenadegasse, 1170)

    1. Ad 4,65%: http://kurier.at/wirtschaft/4311528.php
      Und ich glaube nicht, dass es der GÖD mit der Forderung in erster Linie um bisher unterbezahlte Kindergarten-Pädagoginnen und andere Minderverdiener/-innen geht. Dort wäre eine ordentliche Erhöhung überfällig.

      Ad stadtweite Parkgebühr: full agree.

  2. Wenn man bedenkt was die Quadratmeterpreise in Wien für Wohnraum (x 5 Stockwerke !) kosten, oder was ein Wirt für einen Schanigarten zahlen muss, dann sind die Parkgebühren immer noch ein schlechter Witz. Parkplätze sind Beschlagnahmung von öffentlichem Raum und machen unnötigen Autoverkehr erst r möglich. Im Gegensatz zu Straßen, Parks, Plätzen und Gehsteigen ist dieser Raum für alle anderen Leute blockiert und nicht mehr nutzbar. Wer marktgerechtere Parkpgebühren sehen will möge eine beliebige (privat betriebene) Parkgarage in Wien aufsuchen. Siehe auch Prof. Knoflachers “Gehzeug”: http://de.wikipedia.org/wiki/Hermann_Knoflacher bzw. sein Buch “Virus Auto”.

  3. “Wer unbedingt täglich seinen Körper mit dem Auto vier Kilometer durch eine Stadt transportieren will, deren öffentliches Verkehrsnetz gut ausgebaut ist, der soll dafür zahlen. ”
    Schon mal was von Kraftfahrzeugsteuer gehört?

    1. Ja, ich besitze selbst auch noch ein Auto. Wäre es gerne los, aber andere in meiner Umgebung wollen daran noch festhalten.

      Im Vergleich zu dem, was Individual-Luxus-Verkehr anrichtet, ist er m.E. allerdings noch zu gering besteuert. Es wird halt net gehen, dass alle, die sich vor gemeinsamen Fahrten mit anderen Menschen fürchten oder keine 400 Meter zu Fuß gehen wollen, in die eigene Blechschüssel flüchten. Würden alle in Wien ihre Fahrten mit dem Auto zurücklegen (beschränken wir nur auf diejenigen, die eines haben), dann gäb’s überhaupt kein Fortkommen mehr. Mir ist unklar, wie sich das ÖAMTC und Konsorten vorstellen. Ich rede da jetzt nicht vom Berufsverkehr (Taxis, Zusteller), die einfach schnell sein müssen/sollen, aber immer mehr im Stau stecken.

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